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Die Angst frisst unseren Alltag

17. Mai 2018
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Eine ergreifende Geschichte über ein Paar, deren Leben von der Unsicherheit begleitet wird.

Mein Verlobter ist aus Afghanistan- und hat in Österreich Asyl beantragt.

Ich bin im März 2018 30 Jahre alt geworden, ich habe eine tolle Familie, tolle Freunde, einen guten Job, einen Mann in meinem Leben, den ich über alles liebe und mit dem ich mittlerweile verlobt bin.

Mein Leben könnte nicht schöner sein, wäre da nicht eine Sache: Mein Verlobter ist asylsuchend. Er ist Afghane und obwohl er in unseren Herzen und in unseren Leben Asyl bekommen hat, hat er von den zuständigen Behörden bereits einen negativen Bescheid erhalten.

Durch die lebensgefährliche Flucht nach Österreich ist es ihm gelungen sein Leben in Sicherheit zu bringen. Zum ersten Mal konnte er ohne Angst vor dem Tod leben.

Sein geliebter Vater wurde ermordet und auch er musste um sein Leben bangen. Ihn würde in Afghanistan dasselbe Schicksal ereilen, wie seinen Vater. In einem Land, das er nicht kennt, in dem er keine Wurzeln hat, da er bereits als kleines Kind mit seiner Familie vor dem Krieg und dem Terror in Afghanistan nach Pakistan geflohen ist.

Sein Vater wurde bei seinem zweiten Besuch in Afghanistan ermordet, als er versuchte seiner Familie eine neue Existenz in Afghanistan aufzubauen. Er hatte keine andere Wahl, der Familie drohte nämlich die Abschiebung nach Afghanistan durch die pakistanische Regierung.

Wie kann in Österreich behauptet werden, dass mein Verlobter in Afghanistan sicher sei?

In einem Land, das seiner Familie solchen Schmerz und solches Leid zugefügt hat?? Die Angst vor der Willkür der Behörden bleibt.

Er wurde zum Spielball der Politik. Gegen seinen Willen hat er Schnüre bekommen, wie eine Marionette. Er hat gar keine Chance auf Fairness, auf Verständnis und Gerechtigkeit.

„ALLE Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Diese Buchstaben stehen auf unserem Parlament, aber kann mir bitte irgendjemand die Sinnhaftigkeit dieser Zeilen erklären, in Anbetracht der Tatsache, wie hier mit Menschen aus Afghanistan umgegangen wird? Wie kann ein Mensch #SicherSein, wenn er innerstaatlich untertauchen soll?

Mein Verlobter und unser geliebter Freund hat unser Leben so sehr bereichert. Er geht zur Schule, macht gerade seine B1 Prüfung und macht an der Universität jeden Samstag Kurse…

Psychische Überbelastung

Nach seinem ersten negativen Bescheid ist er temporär an der psychischen Belastung zerbrochen.

  • Warum glaubt mir niemand?
  • Warum bin ich nicht erwünscht?
  • Warum darf ich mein Leben nicht hier leben?

Die Antworten auf seine Fragen spiegelten sich leider auf seiner Haut wider, da er anfing sich selbst zu verletzen. Unsere Hilflosigkeit machte uns sehr zu schaffen. Eine Psychologin half ihm dabei, sein auto-aggressives Verhalten wieder in den Griff zu bekommen.

Wir alle haben Angst

Es ist kaum in Worte zu fassen, welche Ängste wir haben. Wir haben Angst um ihn, um sein Leben. Seit 2 Jahren können wir nicht mehr unbeschwert sein. Es ist kaum möglich unser Leben normal zu leben und glücklich zu sein, ohne ständig die Angst wahrzunehmen, die immer hinter uns lauert, die ohne Voranzeichen immer wieder zupackt und uns den Atem raubt. Unser Leben ist schwarz und weiß und wir versuchen immer wieder der ganzen Situation nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Vergebens. Das Kettenkarussell unserer Ängste, das sich seit zwei Jahren dreht und uns nicht aussteigen lässt. Aber manchmal blinkt es sehr schön. – Wir wissen nicht mehr weiter. Wir können es nicht begreifen, nicht verstehen… wir wollen es nicht wahrhaben.

Ein grauer Schleier umhüllt unsere Seelen. Wir wollen einfach nur leben und glücklich sein.

Die Angst muss aus unseren Leben verschwinden, wir wollen, dass der Schleier fällt. Wir wollen die Angst davor verlieren, wenn es an der Tür klingelt, wenn wir in den Briefkasten schauen, wenn wir die Wörter Interview, Bescheid, negativ usw hören.

Wir versuchen jeden Tag positiv zu bleiben. Das Beste daraus zu machen. Die Hoffnung festzuhalten, sie nie wieder loszulassen, damit sie nicht davonfliegt, wie ein Luftballon in den Himmel. Sie muss bei uns bleiben. Sie ist notwendig für unser Überleben. Die Angst vor dem Tag X, die Hoffnung, dass er Positives bringt.

Wir müssen stark bleiben, das ist zu unserer Lebensaufgabe geworden. Hoffen, dass die Liebe siegt. Hoffen, dass die Entscheidungsträger sich nicht auf irgendwelche menschenunwürdige Gutachten und Gesetze berufen, sondern auf ihr Gewissen.

Der Leitsatz der Familie Scholl ist aktueller denn je:

Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten. Liebe kennt zum Glück keine Grenzen und wir werden einander immer in unseren Herzen tragen.

Hoffentlich am selben Kontinent, im selben Land und in derselben Stadt.

Wenn er gehen müsste, würde ein Teil von uns gehen. Es würde sich anfühlen wie eine Amputation. Und eines ist sicher: kein Arzt auf dieser Welt kann ein amputiertes Herz wieder an der richtigen Stelle zum Schlagen bringen.